Freier Zugang zu den verwaisten Werken?

Kann der freie Zugang zu einem gewichtigen Teil des kulturellen Erbes, zu den verwaisten Werken und damit zu einem gewichtigen Teil des Commons, in Europa bald Wirklichkeit werden? Vielleicht, aber …

Zusammenfassung: Verwaiste Werke sind ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes, zu dem Zugang zu haben, ein jeder ein Recht haben sollte. Das ist eine zentrale informationsethische Forderung und in Übereinstimmung mit der UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt. Daher ist der Schritt der EU Kommission zu begrüßen, den Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen Rechtssicherheit bei ihrem Bemühen zu geben, verwaiste Werke aus ihren Beständen zu digitalisieren und der Öffentlichkeit bereitzustellen.

Positiv auch, dass die Einschätzung einer Bibliothek, ein Werk als verwaistes behandeln zu dürfen, dann EU-weit gelten soll. Die Hürden allerdings, um diese Rechtssicherheit zu erlangen, sind aber bislang wohl mit zu strengen Anforderungen an eine sorgfältige Suche (diligent search) nach den Urhebern gebunden. Die nicht zuletzt im Rahmen von Europeana politisch gewollte Massen-Digitalisierung (auch als Gegengewicht zu Google) dürfte so kaum gefördert werden.

Die Bibliotheken brauchen aber über eine Schrankenregelung in erster Linie eine sehr weitgehende Genehmigungsfreiheit (also die Freiheit, nicht um Erlaubnis für eine Verwertung im Sinne des Urheberrechts anfragen zu müssen). Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ hatte schon 2007 einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Urheber von verwaisten Werken werden durch eine breite weltweite Sichtbarkeit dieser nun digitalisierten Werke sicherlich eher bekannt als durch eine noch so sorgfältige Suche nach den Urhebern. Dass die Öffentlichkeit, realisiert über welche Organisationen auch immer, die Garantie geben muss, dass den dann doch noch auftauchenden Urheber dieser (dann nicht mehr) verwaisten Werke ihre Rechte zurückgegeben werden, versteht sich. Allerdings darf das auch nicht dazu führen, dass diese Werke dann wieder der Öffentlichkeit entzogen werden.

Falls die EU auch vorhat, den Interessen der kommerziellen Verwertung verwaiste Werke entgegenzukommen (vielleicht unter schärferen Bedingungen an die Suche nach den Urhebern als bei den öffentlichen Bibliotheken), muss unbedingt darauf geachtet werden, dass dadurch keine neuen exklusiven Rechte entstehen. Die kommerzielle Verwertung verwaister Werke darf nur über einfache Nutzungsrechte möglich sein. Dieses Ziel, das ja allgemein für Objekte gilt, die als Teil des Commons angesehen werden sollen, muss unbedingt im Blick behalten werden.

Der vollständige Artikel, auch mit englischem Abstract, kann abgerufen werden: [Link]

Comments (1)

 

  1. [...] gewichtigen Teil des Commons, in Europa bald Wirklichkeit werden?” “Vielleicht”, sagt Rainer Kuhlen auf netethics, immerhin bemühe sich die EU Kommission, “den Bibliotheken und ähnlichen [...]