De revolutionibus orbium retiariorum – Besser mit dem Netz als suchen nach dem Matching-Paradigma – zur Legitimierung verwaister Werke

Sollte nicht die Web-Community ein gewichtiges Wort mitreden, wenn es darum geht, der Öffentlichkeit den Zugriff auf einen bedeutenden Teil des kulturellen Erbes zu ermöglichen? Oder sollten darüber eher Suchalgorithmen über Datenbanken entscheiden? Und sollen dafür Verlegerverbände das Sagen haben? Worum geht es? Verfahren zu finden, mit denen der Status eines Werkes als verwaistes ermittelt werden kann. Verwaiste Werke gehören zweifellos zum kulturellen Erbe. Zugriff und Nutzung des kulturellen Erbes für jedermann ist ein zentrales informationsethisches Ziel. Das Folgende ist ein Plädoyer, die heilige Kuh der „diligent search“ zu schlachten bzw. sanfter: vom Eis zu bringen und dafür Web-Tugenden wie Partizipation, Kollaboration und Transparenz ins Spiel zu bringen.

Was sind verwaiste Werke?

Urheberrechtlich noch geschützte Werke werden als verwaist bezeichnet, wenn für sie die Rechteinhaber nicht bekannt bzw. nicht ausfindig gemacht werden können. Diese verwaisten Werke machen als Bücher in Bibliotheken, aber vor allem als multimediale und temporale Objekte in Museen, Archiven oder Mediotheken einen erheblichen Anteil an deren Beständen aus.

Verwaist, aber nicht vogelfrei – dem steht das Urheberrecht entgegen

Verwaiste Werke können nicht einfach digitalisiert und dann öffentlich (über das Internet) zugänglich gemacht werden. Dagegen hat das Urheberrecht einiges bzw. die Vertreter, die das Urheberrecht stark aus dem Interesse der Rechteinhaber interpretieren und das öffentliche Interesse eher als nur sehr restriktiv zugelassene Ausnahme zurückstellen. Die Vervielfältigung (was ja das Digitalisieren bewirkt) und die öffentliche Zugänglichmachung sind genuine Verwertungsrechte der UrheberInnen bzw. allgemeiner der Rechteinhaber und können auch dann nicht einfach außer Kraft gesetzt werden, wenn jene nicht ausfindig gemacht werden können. Use it or lose it, gilt nicht im Recht, jedenfalls nicht im kontinentaleuropäischen.

Bewegt die EU das Urheberrecht?

Also bedarf es Änderungen im Urheberrecht. In der EU könnte man diesem Ziel ein Stück näher kommen, wenn die Europäische Union sich darauf verständigte, den Mitgliedsländern eine Richtlinie für den Umgang mit verwaisten Werken vorzugeben. Die Chancen für eine solche Richtlinie stehen nicht schlecht. Ein fortgeschrittener Entwurf liegt seit Mai 2011 vor. Darin soll öffentlichen Einrichtungen wie den oben erwähnten, also Bibliotheken etc., zur Wahrung eines öffentlichen Interesses der Eingriff in die Urheberrechte erlaubt sein. Kommerzielle Nutzungen sind nicht ausgeschlossen, sollen aber nur (wohl durch Lizenzen) von den öffentlichen Einrichtungen angestoßen werden können (ausführlicher dazu mein Blogeintrag bei IUWIS).

Die heilige Kuh der diligent search

So weit so gut. Aber der Eingriff in Rechte der Urheber, auch wenn diese nicht ausfindig gemacht werden können und auch wenn jener im öffentlichen Interesse liegt, wird als so gravierend angesehen, dass vor die Erlaubnis eine gewichtige Barriere aufgebaut wird. Die Barriere heißt hier „diligent search“, deutsch etwas harmloser „sorgfältige Suche“. Weltweit, seit dem 2006 Report on Orphan Works des USA Copyright Office, besteht weitgehende Einigkeit, dass eine solche Suche durchgeführt werden muss, und zwar unter Anwendung elektronischer Suchverfahren. Das ist die anfangs so bezeichnete „heilige Kuh“ – auch hier eher Mythos als ein realistisch operationalisierbares Konzept.

Diese Suche sieht auch der Richtlinienentwurf der EU vor. In Erwägungsgrund (13) heißt es: „Eine sorgfältige Suche sollte die Konsultation öffentlich zugänglicher Datenbanken beinhalten, die Informationen über den Urheberrechtsstatus eines Werks liefern. … Soweit möglich sollten öffentlich zugängliche Datenbanken zu den Suchergebnissen und der Nutzung verwaister Werke so konzipiert und eingerichtet werden, dass sie eine Vernetzung auf paneuropäischer Ebene und die Abfrage über eine einzige Zugangsstelle erlauben.“ Die Copyright Subgroup der für die Europeana eingerichteten High Level Expert Group hatte schon 2008 „Sector‐specific guidelines on due diligence criteria for orphan works“ vorgeschlagen, die aber kaum, wie so gut wie alle anderen vorgeschlagenen, in den (nicht nur monetären) Folgekosten überschaubar sind.

Um Doppelarbeit zu vermeiden, soll die Suche „ nur in dem Mitgliedsstaat durchgeführt werden, in dem [oder: in dessen Hoheitsgebiet] das Werk zuerst veröffentlicht oder gesendet wurde“ (Erwägung 15) .Die Ergebnisse einer einmal durchgeführten Suche sollten dann Gültigkeit in allen EU-Ländern haben.

Wem dient ARROW?

Auch das klingt an sich o.k.. Auch die EU-Kommission tendiert stark dahin, die Rechteklärung über das EU-Projekt ARROW („Accessible Registries of Rights Information and Orphan Works towards EUROPEANA“) vornehmen zu lassen. Nun war/ist ARROW nicht nur ein von der EU-Kommission stark gefördert finanziertes Projekt, sondern, wie ein Blick ins Editorial Board zeigt, ein Vorhaben aus dem Interesse der Verlegerverbände. Noch ist nicht ganz klar, in welcher Weise sich das kommerzielle Interesse an den verwaisten materialisieren lassen wird, aber Googles Engagement bei ihrem weltweiten Digitalisierungsprogramm und den Einsprüchen der Verleger dagegen, deutet das kommerzielle Potenzial auch verwaister Werke an.

Der Verdacht ist kaum auszuräumen, dass ein den damaligen, aber immer noch zum Einsatz kommenden Digital-Rights-Management-Verfahren (DRM) analoges Instrument entwickelt wurde und zu nicht durchschaubaren Interessen verwendet werden soll. Mit Technik löst man nicht die Probleme im Internet, ohne natürlich auch nicht. Kommt immer darauf an, zu welchem Ende.

Müssen, dürfen, sollen also Entscheidungen über diesen Teil des kulturellen Erbes wesentlich aus der kommerziellen Perspektive gefällt werden? Wäre nicht eine genossenschaftliche Lösung unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher und Web-Communities angebrachter? Dazu gleich ein Vorschlag. Vorab aber einige Bedenken gegen die „sorgfältige Suche“.

Tücken der sorgfältigen Suche und deren Folgekosten

Was auf dem Papier plausibel klingen mag, hat einige Tücken. Hier einige Hinweise (ergänzend dokumentiert und kommentiert durch Christian Recht in seinem Beitrag „ Entwicklungen des Europäischen Urheberrechts im Spiegel der EBLIDA-Stellungnahmen“; darin ist auch das Problem der „sorgfältigen Suche“ behandelt):

Europaweit oder in jedem Mitgliedsstaat anders?

(a) Im Entwurf der EU heißt es in Art. 3, Abs. 2: „Welche Quellen für die einzelnen Kategorien von Werken geeignet sind, wird von jedem Mitgliedstaat in Absprache mit den Rechteinhabern und den Nutzern bestimmt“. Soll jedes Land darüber entscheiden können, in welchem Ausmaß ARROW bei der Suche beteiligt werden soll? Ist ARROWS dafür flexibel genug? Nach Harmonisierung, wie sie ja auch sonst von der EU in Sachen Urheberrecht angestrebt wird, klingt das nicht. Diese „Autonomie“ der Mitgliedsländer auch bei der sorgfältigen Suche wird auch in der „Stellungnahme der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen“ kritisiert. Die Allianz hält es für dringend erforderlich, „die Kriterien für eine sorgfältige Suche in der Richtlinie selbst näher zu definieren“. Das steht aber weiterhin aus. Ganz anders sieht es z.B. der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in seiner Stellungnahme von August 2011 zum EU-Entwurf. Darin wird eine jeweils nationale Variante der Suche gefordert, welche „die spezifische Quellenlage sowie die historisch gewachsenen Strukturen“ berücksichtigen müsse.

Was ist „reasonably“?

(b) In dem oben referenzierten Report des US Copyright Office heißt es nicht nur „diligent search“ , sondern immer „reasonably diligent search“. Was ist „reasonably“? Die Berichterstatterin für den Rechtausschuss des EU-Parlaments hat zur Klärung (und zur Abschwächung der Anforderungen an diese Suche?) einen Änderungsantrag zum Entwurf der Kommission eingebracht, welcher die „sorgfältige Suche“ spezifizieren soll: „Sie [die Suche] wird vor der Nutzung des Werks gemäß dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Zumutbarkeit durchgeführt.“ Das klingt nach „fair use“. Was ist „Treu und Glauben“ und was ist „zumutbar“? Vermutlich in jedem EU-Land etwas anders. Und jedes EU-Land soll ja, wie oben zitiert, die Auswahl der anzuwendenden Quellen selber bestimmen. Aber gültig soll das Resultat dann in der gesamten EU sein (?).

Kann die Suche nach verwaisten Objekten automatisiert werden?

(c) Verwaiste Werke sind ein Massenphänomen. Eine größere Bibliothek oder ein Archiv oder ein Museum werden i.d.R. tausende Kandidaten für verwaiste Werken haben. Die durch eine „sorgfältige Suche“ entstehenden Kosten dürften dem Ziel, dieses kulturelle Erbe öffentlich zugänglich zu machen, entgegen stehen. Es ist ja keineswegs so, dass der gesamte Prozess der Suche automatisiert durchgeführt werden kann. Nehmen wir ein Foto. Die Technologie ist auf absehbare Zeit noch nicht verfügbar, dass das Foto einfach auf einen Scanner gelegt werden kann, der mit einer Vielzahl von Datenbanken dann verbunden ist, so dass in wenige Sekunden das Ergebnis vorläge. Tatsächlich muss vorab für jedes Objekt intellektuell eine Inhaltserschließung, also eine Indexierung vorgenommen werden, die dann in Form einer formalisierten Frageformulierung den Datenbanken übergeben wird. Nebenbei bemerkt, macht eine solche Datenbankrecherche ohnehin so gut wie keinen Sinn, denn gerade mit Blick auf die multimedialen Objekte gibt es diese Datenbanken kaum. Das Ergebnis ist quasi vorprogrammiert, nämlich so gut wie immer negativ. Die vielen negativen Resultate müssen ja nicht schlecht sein. Aber bedarf es dafür eines hohen und teuren technologischen Aufwands, der zudem aus nicht klar erkennbaren Motiven betrieben wird?

Auch nicht-monetäre Kosten

(d) Kosten entstehen den Anwendern aber auch dadurch, dass, entsprechend Art. 4, Abs. 4, über jede einzelne Suche ein „Protokoll über die … angestellten sorgfältigen Nachforschungen“ geführt werden muss und zusätzlich „öffentlich zugängliche Protokolle über die [von den Organisationen vorgenommene – RK] Nutzung verwaister Werke“ vorgehalten werden müssen.

ARROW kostenlos?

(e) Niemand kann derzeit sagen, inwieweit die Arrow-Suche in den öffentlichen Datenbanken auf Dauer kostenlos sein wird bzw. wie hoch die Gebühren dann sein werden, wenn die EU-Förderung nicht mehr gegeben ist. Oder ist davon auszugehen, dass die Verlagsverbände für die Kosten aufkommen werden, auch wenn die Nutzung nur im öffentlichen Interesse sein soll?

Vorabzahlungen unzumutbar und unnötig

(f) Ganz absurd und prohibitiv werden diese vielen Suchen dann sein, wenn in den vielen zu erwartenden negativen Fällen von den „Bibliotheken“ vorab, sozusagen im vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Vergütungsansprüchen, eine Vergütung an die Verwertungsgesellschaften gezahlt werden soll. Wenn dann sogar die Suche von den Verwertungsgesellschaften selber durchgeführt werden soll, wie zuweilen gefordert, ist das fast schon ein Selbstbedienungsmechanismus.

Was in öffentlichen Interesse liegt, sollte nicht gegen die öffentlichen Einrichtungen entschieden werden

Nicht zu Unrecht wurde daher 2009 von EBLIDA (dem Interessenverband der Bibliotheken gegenüber der EU) bezweifelt, ob die kulturbewahrenden und Massendigitalisierungsprojekte von den öffentlichen Institutionen wie Bibliotheken überhaupt in Angriff genommen werden, wenn die sorgfältige Suche mit hohem Arbeitsaufwand (z.B. für die Inhaltserschließung und Dokumentation) durchgeführt werden muss. Die Vorabvergütung an die Verwertungsgesellschaft wird von EBLIDA und vielen anderen Vertretern aus dem Bibliotheks-, Archiv- und Medienbereich ohnehin abgelehnt.

Auch auf Grund einiger empirischer Erhebungen (Interviews) mit ExpertInnen aus dem Medien- und Museumsbereich im Rahmen der (bislang noch nicht veröffentlichten) Masterarbeit von Dr. Karin Ludewig im Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität gibt es deutliche Hinweise, dass sowohl die bislang vorgesehene „sorgfältige Suche“ als auch die Vorabvergütungen an Verwertungsgesellschaften in diesen Bereichen strikt abgelehnt werden. Aber eine Alternative zur sorgfältigen Suche wurde von diesen Seiten bislang auch nicht vorgelegt. Aus dem Bibliothekswesen scheint man sich mit der Suche über ARROWS eher anfreunden zu wollen – ist doch die Aussicht, mit vermeintlich geringem Aufwand ein Ergebnis „ja oder nein“ zu bekommen, verführerisch.

Erweiterte kollektive Lizenzen oder Schranken?

Es gibt allerdings eine Lösung für die verwaisten Werke, die ohne die sorgfältige Suche auskommt, nämlich das Modell der „erweiterten kollektiven Lizenzen“, wie es z.B. schon in Dänemark zur Anwendung kommt. Dieses Modell „geht von der Annahme aus, dass sobald eine Verwertungsgesellschaft einer Bibliothek genehmigt, Bücher auf einer Website zugänglich zu machen, diese Genehmigung entsprechend einer gesetzlichen Ausdehnung für alle Werke dieser Kategorie, einschließlich verwaister Werke (d.h. Bücher, Filme), gilt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Verwertungsgesellschaft die Rechte dieser „Außenseiter“ wahrnimmt, unabhängig davon, ob sie eine sorgfältige Suche durchgeführt hat, um den Urheber zu ermitteln oder ausfindig zu machen.“ (EU Richtlinienentwurf von 5/2011, deutsche Version S. 3).

Die EU hatte dieses Modell abgelehnt, zum einen wohl, weil die Hürde für eine Außerkraftsetzung von Urheberrechtsrechten als zu niedrig erschien, und zum andern, dass dies nur jeweils nationale Lösungen zulasse, also die angestrebte europaweite Lösung ausschließe. Kritik wird an dieser Lösung auch deshalb geführt, weil durch vertragliche Vereinbarungen das öffentliche Interesse i.d.R. zu kurz kommt. Für verwaiste Werke sei daher eine Schrankenregelung und keine vertragliche Vereinbarung unabdingbar.

Alternative: Befristete öffentliche Ausschreibung

Es gibt aber noch einen anderen (suchunabhängigen) Vorschlag. Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ hatte schon im Jahr 2007 einen Vorschlag zur Regelung verwaister Werke vorgelegt und die „sorgfältige Suche“ als Verhinderungsfaktor für die Massendigitalisierung eingeschätzt. Als Alternative dazu wurde erwogen, an zentraler Stelle, z.B. bei der jeweiligen Nationalbibliothek, eine beabsichtige Digitalisierung öffentlich bekannt zu machen. Wenn nach einer Frist von z.B. drei Monaten kein Widerspruch bekannt wird, soll das Werk als verwaist gelten. Interessanterweise hat auch die oben schon erwähnte Copyright Subgroup erwogen, die öffentliche Bekanntmachung (announcement) als Teil (oder sogar als Ersatz?) der Suche anzusehen, indem etwa die folgenden Medien genutzt werden könnten (Para 2.1):

  • on a web-site,
  • In a relevant publication (trade, professional etc),
  • In social or professional networks or associations (including newsletters),
  • In the local or national press

Greifen wir das doch auf und verallgemeinern das. Es mag sein, dass mein damaliger über das Aktionsbündnis und auch bei den Anhörungen zu den verwaisten Werken im Rechtsausschuss am 19.9.2011 (vgl. dazu den Bericht bei IUWIS) ins Spiel gebrachte Vorschlag, die auf 3 Monate befristete öffentliche Ausschreibung alleine als Ersatz für die „sorgfältige Suche“ anzusehen, etwas zu kurz gegriffen war. „Suche“ muss ergänzend wohl sein. Aber wohl kaum über eine standardisierte Datenbankabfrage mit Hilfe von ARROW.

Die Überlegenheit des Web gegenüber dem Matching Paradigma

Mir scheint es angemessener zu sein, die Öffentlichkeit, deren öffentliches Interesse am kulturellen Erbe der verwaisten Werke ja auch für die EU-Kommission im Vordergrund stehen soll, in die Suche einzubinden. Aus informationsmethodischer Sicht sollte die alte Technologie der Datenbanksuche nach dem Matching Paradigma (Abgleich der deskriptor-orientierten Suchfrageformulierung mit den im System vorhandenen Repräsentationsformen der erschlossenen Dokumente) durch mehr Browsing-orientierte Techniken, wie sie in den Hypertextstrukturen des Web vorherrschen, abgelöst werden. Diese gilt vor allem für informationskritische Situationen wie die Suche nach verwaisten Werken, die typischerweise informationell unterbestimmt sind, also nicht über das Matching-Paradigma gesucht werden können. Es sind also eher explorative Verfahren der Informationserarbeitung für verwaiste Werke angebracht (vgl. dazu R. Kuhlen von 2000: „Nicht explizites Wissen“ – aus einer Sicht der Informationswissenschaft“).

Aus der Politik ein Vorschlag für Cloud Computing!

Erstaunlicherweise gibt es für die Beratung des Rechtsausschusses des EU-Parlaments von Ramon Tremosa i Balcells einen Änderungsantrag 59, mit dem der Erwägungsgrund 10 zur elektronischen Suche des Richtlinienvorschlags erweitert werden soll: „Ferner sollte die Technologie des Cloud Computing entsprechend genutzt werden, um eine umfassende und leicht zugängliche europaweite Datenbank zu schaffen.“

Vielleicht kann sogar die Wikipedia, die sich derzeit bei der UNESCO um die Anerkennung der Wikipedia als immaterielles Kulturerbe bemüht, für dieses Projekt gewonnen werden. Im Web gibt es viele Beispiele für die Überlegenheit kollaborativer Problemlösungen gegenüber standardisierten Datenbanksuchen. Zudem sind diese Verfahren gänzlich transparent und partizipativ im Interesse der von den Problemlösungen Betroffenen. Was träfe mehr dafür zu als die „Jagd“ nach den möglichen Rechteinhabern verwaister Werke, die bei einem positiven Befund an der Entscheidung zur Digitalisierung und öffentlichen Zugänglichmachung dann beteiligt werden können? Gibt es auch durch das Cloud-/Web-Computing kein positives Ergebnis (konnte also kein Rechteinhaber ausfindig gemacht werden), dann sollte das Werk als verwaist angesehen und frei genutzt werden können.

Das Problem ist ein rigides Schutzverständnis des Urheberrechts – die Lösung: ein Paradigmenwechsel

Das Urheberrecht sollte in einem rigiden Verständnis vom Schutzinteresse der Rechteinhaber der Erschließung und Bereitstellung großer Teile des kulturellen Erbes in digitaler Form nicht im Wege stehen. Die Begründung des Urheberrechts ist weiterhin und in erster Linie die Beförderung der Kunst und Wissenschaft. So salopp, wie es Google mit seinem Opt-Out-Ansatz einmal wollte (erst einmal alles digitalisieren und dann herausnehmen, wenn sich jemand mit berechtigtem Widerspruch meldet), sollte es nicht sein. Aber so umständlich, teuer, intransparent, interessenabhängig wie über die ARROW-Verfahren und dann sogar über vorauseilende Vergütungszahlungen an Verwertungsgesellschaften sollte es auch nicht sein. Der sicher noch zu präzisierende Gegenentwurf liegt auf dem Tisch, frei nach Kopernikus: De revolutionibus orbium retiariorum. Frei: Paradigmenwechsel durch das Web.

Comments (1)

 

  1. Peter Brunner sagt:

    Gute Zusammenfassung zu diesem wichtigen Problem. Beim Lesen kam mir eine ähnliche Überlegung wie sie hier angestellt wird: Fundbüros haben das Recht, nicht abgeforderte Fundsachen “nach angemessener Aufbewahrungsfrist” zu verkaufen. Analog dazu könnte auch nach Veröffentlichung der Suche nach dem Rechteinhaber, genau wie hier dargestellt, verfahren werden. Allerdings fürchte ich, dass die Erstellung einer Datenbank lebender/bekannter Rechteinhaber unumgänglich ist. Die Deutsche Bibliothek (ja, ich weiss, die eine nationale sein will), führt doch in der Regel beim Titeleintrag Autorendaten mit. Wie ist das in anderen europäischen Ländern?