Die fetten Jahre sind vorbei. Sapere aude! – auch KünstlerInnen ist informationelle Autonomie in elektronischen Umgebungen möglich
Teil 5 von: Zur „MEIN K©PF GEHÖRT MIR!“-Kampagne – Ich erlaube mir in diesem letzten Teil Sie, die KünstlerInnen, direkt anzureden. Der Abschluss der Auseinandersetzung mit der „MEIN K©PF GEHÖRT MIR!“-Kampagne wird nicht gerade eine „Wutrede“ werden, aber doch eine massive Beschwerde ob Ihrer – doch im Wutrede-Jargon – Bequemlichkeit, sich weiter in den Einnahmen sichernden traditionellen Publikationsformen einzurichten, in Ihrer Weigerung, sich kritisch und konstruktiv mit den Problemen des Urheberrechts und, ja auch, mit den Problemen beim Konzept des geistigen Eigentums auseinanderzusetzen geschweige denn sich die Mühe zu machen, einmal nachzulesen, was die Piratenpartei bislang zum Umgang mit Wissen und Information geschrieben hat oder wie die Auseinandersetzungen damit intern (aber öffentlich für jeden zugänglich) geführt werden.
Sie arbeiten mit Tabus und mit Vorurteilen. Am meisten aber werfe ich Ihnen vor, dass Sie sich (überwiegend zumindest) weiterhin in dieser bequemen Abhängigkeit von kommerziellen Verwertern einrichten wollen, die Ihnen, ohne weiteres Zutun von Ihrer Seite – natürlich, die Werke produzieren Sie – Ihr Einkommen (mehr oder minder gut oder schlecht) sichern.
Unmündig und unaufgeklärt in den intellektuellen elektronischen Welten
Saper aude! Hieß es bei Kant. Ausgang von der selbst verschuldeten Unmündigkeit. Und sie bewegen sich unmündig und unaufgeklärt in den intellektuellen Welten, die weitgehend elektronisch bestimmt sind. Nehmen Sie die Herausforderung an, sich selber für das Öffentlichwerden Ihrer Werke zuständig zu fühlen! Die elektronische Welt macht es Ihnen möglich. Und hier – überhaupt keine verkehrte Welt – sind „Piraten“, es muss ja nicht die Piratenpartei sein, Ihre Freunde und Partner, die Sie dabei unterstützen können, praktisch und moralisch.
Lassen Sie sich nicht weiter vor den Karren derjenigen spannen, die Ihnen nur einen kleinen Teil von dem, was Ihnen auch an Vergütung zustehen kann, zurückgibt. Piraterie ist nicht das Problem – alle Zahlen deuten darauf hin, dass es den weltweiten Copyright-Industrien mit drastischen Zuwachszahlen nie so gut ging wie derzeit. Nicht Freizügigkeit ist die Bedrohung der Kultur, sondern deren kommerzielle Verknappung.
So, dieser „Wutteil“ ist zu Ende. Am Ende gebe ich einige Hinweise, wie Sie sich dieser Herausforderung, das Öffentlichmachen selber in die Hand nehmen, stellen können. Zuerst aber noch einige Anmerkungen zu dem, was bei Ihnen so emphatisch geistiges Eigentum heißt.
Kopf – copyright-geschützt?
Wer sind die Freunde? Wer die Feinde? Nichts ist so schwarz-weiß, wenn es um intellektuelle Produkte und deren Öffentlichmachung oder öffentliche Zugänglichmachung (Urheberrechtsjargon!) geht.
Klar, solange das, was Sie irgendwann einmal in die Öffentlichkeit geben, noch in Ihrem Kopf ist, gehört es Ihnen. Ihr Kopf, nehmen wir mal an, dass das der Ort ist, an dem Ihre, Ideen, Pläne und Textfragmente sich entwickeln und, in welcher chemisch-physikalischen Form auch immer, gespeichert werden, gehört Ihnen. Ob copyright-geschützt, sei dahingestellt, aber doch im Sinne von Eigentum. Sie können jedermann davon abhalten, das einzusehen oder herauszunehmen, was in Ihnen ist. Sie werden nicht gefoltert, um das preiszugeben, was Ihnen gehört. Politiker, Wissenschaftler, Journalisten sind da schon eher bedroht.
Anders wird es, wenn Ihre Gedanken, Ideen, Pläne, Phantasien zu Texten, Musikstücken oder zu anderen medialen Repräsentationen geworden sind. Auch diese sind weiter ihr exklusives Eigentum und sie sind auch urheberrechtlich geschützt, solange Sie diese, sagen wir in Ihrer Schreibtischschublade halten.
Einmal in die Welt gesetzt können intellektuelle Produkte nicht mehr exklusives Eigentum sein.
Aber ganz anders wird es, wenn Sie sich zur Veröffentlichung entschlossen haben. Einmal in die Welt kann dies nicht mehr exklusives Eigentum sein. Das wissen Sie natürlich auch und handeln auch so. Ihre Ideen, wie auch Theorien, Axiome in der Wissenschaft sind frei und können von jedermann frei genutzt werden. Niemand kann gehindert werden, publizierte Ideen in seine eigenen Werke einzubauen (wenn er denn Gelegenheit hat, diese Werke direkt oder vermittelt über Andere einzusehen).
Das mussten schmerzlich die Autoren Michael Baigent, Richard Leigh, und Henry Lincoln erfahren bzw. genauer ihr Verleger Jonathan Cape, denn der hatte geklagt. Die Klage richtete sich, gegen Dan Brown, dem vorgeworfen wurde, dass er in seinem Buch „The Da Vinci Code“ unter Verletzung des Urheberrechts aus ihrem Werk „Holy Blood. Holy Grail“ geklaut habe.
Da waren sie aber bei dem Richter Peter Smith wie auch wohl bei jedem anderen Richter bei dem Falschen. Aus dem Revisionsurteil: “Under British copyright law [aber in Deutschland wird es nicht anders sein – RK], a novelist has the right to use the “information” included in an (alleged) work of history when this information is “differently expressed, collected, selected, arranged and narrated” as is typical of a novel. The judgement confirms both that the ideas of The Da Vinci Code are in large part taken from Holy Blood, Holy Grail, and that ideas per se (what continental copyright law calls the corpus mysticum of a work, as opposed to the corpus mechanicum, i.e. their arrangement) are not copyrightable, and ideas expressed in an (alleged) work of history can be freely borrowed and re-arranged in a work of fiction.”
Ich gehe mal davon aus, dass Sie als Schriftsteller, Musiker oder bildender Künstler das auch so sehen und wollen, dass Ihre Ideen im Leben und im Handeln anderer fortleben und ein eigenes Leben entwickeln.
Teil des kulturellen Erbes geworden, das unser Bewusstsein von Welt mit prägt. Dieses gehört allen
Wird es dann ganz anders, wenn das Interesse der Öffentlichkeit nun an Ihrem Werk auf dem Spiel steht? Und dann werden Sie hoffentlich auch Bedenken bekommen, dass es mit dem exklusiven Eigentum an intellektuellem Werken nicht so ganz stimmen kann. Ihre Werke, alle, ob sie nun von Thomas Mann, Günter Grass oder Gabi Hauptmann stammen, sind zu einem Teil des kulturellen Erbes geworden, das unser Bewusstsein von Welt mit prägt. Dieses gehört allen. Wahrgenommen und weitergetragen kann es aber nur über die Werke selber. Es nützt wenig, wenn die Ideen an sich frei sind, wenn der Zugang zu den Werken nicht möglich ist, in denen die Ideen repräsentiert sind.
Daher sorgt die Öffentlichkeit dafür – und ich nehme mal an, dass niemand von Ihnen dagegen einen Einspruch hat -, dass dieses kulturelle Erbe in Bibliotheken, Museen, Archiven für jedermann so gut wie frei (also auch gebührenfrei) zur Verfügung steht. Natürlich wurden Sie dafür nicht enteignet. Die Bibliotheken müssen ja ihre Werke kaufen, und auch die Verwertungsgesellschaften (VG-Wort, Gema etc.) sorgen dafür, dass Einiges an Sie zurückfließt – das meiste allerdings in der Praxis an die Verwerter/Verlage, mit denen Sie vertraglich die Veröffentlichungen vereinbart und dafür Ihre urheberrechtlichen Verwertungsrechte als Nutzungsrechte weitgehend übergeben haben.
Ist es nicht so, so schreiben jedenfalls viele von Ihnen in Ihren Beiträgen zu der Kampagne, dass Sie für Ihre Bücher oft lange und mühsam recherchiert haben (wie auch Dan Brown)? Wo denn eigentlich? Wohl in den Bibliotheken oder Archiven und zunehmend wohl auch in den offenen Ressourcen des Internet. Der eine oder andere wird auch gelegentlich dafür bezahlt haben, aber das dürfte die Ausnahme sein.
Auf den Schultern von Riesen und Zwergen
Sicher sind Sie unabhängiger von dem, was andere vor Ihnen publiziert haben, als es die Kreativen in der Wissenschaft sind, die immer schon auf den Schultern von Riesen gestanden haben, um zu neuen Einsichten zu kommen – natürlich auch auf den Schultern von Zwergen, wie es Jürgen Renn in seiner spannenden Geschichte über Einsteins Entdeckungen so schön herausgearbeitet hat.
Dass das Urheberrecht die in Bildung und Wissenschaft Arbeitenden nicht zuletzt durch die vom jetzigen Urheberrecht begünstigten kommerziellen Verknappungsstrategien darin immer mehr hindert, freien Zugang zum publizierten Wissen zu bekommen, sogar zu dem mit öffentlich Mitteln finanzierten Wissen, ist Ihnen vielleicht kein bewusstes Problem. Aber Sie können sicher davon ausgehen, dass auch Ihre Werke sehr bald i.d.R. elektronisch publiziert werden und dass es dann den Bibliotheken immer schwerer gemacht werden wird, den freien Zugang auch zu Ihren elektronischen Werken auch für Ihre KollegInnen zu garantieren. Ein 2008 ins Gesetz gekommener Paragraph, § 53a UrhG, untersagt es den Bibliotheken, Werke elektronisch bereitzustellen, wenn Verlage diese Werle selber in elektronischer Form öffentlich zugänglich gemacht haben.
Wer sind die Freunde, wer die Feinde?
Werden Sie alle dann vielleicht sehr schnell auch zu Piraten, um Wege zu finden, das elektronisch publizierte Wissen für Ihre Arbeit doch frei zu nutzen?
Wer sind die Freunde, wer die Feinde? Sind nicht gerade die „Piraten“, die Verfechter eines freien Umgangs mit Wissen und Information, die sie nicht bedrohen, sondern die Ihnen den intellektuellen Freiraum bewahren helfen, auf den auch Sie angewiesen sind und den Sie immer wie selbstverständlich genutzt haben.
Umsonstkultur?
Gut, das ist die eine Seite: Sie beschweren sich ja in erster Linie, dass im Internet eine Umsonstkultur entsteht, die von den politischen Protagonisten: den Piraten gefördert werde. In der Tat, die fetten Jahre sind vorbei. Die Publikationsmodelle der analogen Welt sind kaum mehr als Reservatschutz zu bewahren (auch kaum die von Verlagen weiter eingeklagte Buchpreisbindung). In dieser analogen Welt haben Sie alle recht gut gelebt, wenn Sie denn gute, zumindest attraktive Werke angefertigt haben. Mir ist nicht bekannt, dass jemand von Ihnen jemals Piraterie ihrer gedruckten Werke beklagt hat oder eine Verletzung Ihres Anspruchs auf geistiges Eigentum. Sicher, Plagiate und Raubdrucke hat es immer gegeben – auch ich habe Max Webers „Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus!“ nur als Raubkopie für fünf DM gekauft und gelesen –, aber das hat das System nicht wirklich gefährdet.
Ein Buch kann man vielleicht zwei, drei Freunden ausleihen. Im Internet hat man für dessen elektronische Version gleich einige Millionen Freunde. Das ausgeliehene Buch aus der Bibliothek ist für drei, vier Wochen aus dem Verkehr gezogen. Von einem elektronischen Master im Server der Bibliothek könnten gleichzeitig beliebig viele Nutzer bedient werden – tatsächlich ist Letzteres durch einen anderen Paragraphen des Urheberrechtsgesetzes, hier § 52b, explizit verboten worden. Schauen Sie mal in das Urheberrecht. Da werden sie manches Erstaunliche finden, die Sie an dem Schutz Ihrer informationellen Autonomie zweifeln lässt. Hat eine/r von Ihnen protestiert, als 2008 Ihnen in § 31a das Recht genommen wurde, über eine Neupublikation Ihres Werkes in einer anderen medialen Form als die ursprünglich gedruckte mitzubestimmen?
Nur einige von Ihnen publizieren bislang elektronisch. Ihre Sorge antizipiert etwas, was tatsächlich eintreten wird, wenn Sie Ihre Erwartungen, Einstellungen und Handlungen nicht an das neue mediale Umfeld anpassen. Nur wird das eben nicht die Umsonstkultur sein, sondern die durchgängige urheberrechtsgeschützte Kommerzialisierung aller Kulturgüter.
Es sind die Geschäftsmodelle
Noch einmal, die fetten Jahre der analogen Welt sind in elektronischen Welten nicht zu reproduzieren. Elektronisches Material lässt sich nicht so verknappen, wie es mit den materiellen Produkten wie Büchern leicht möglich ist. Die Geschäfts- und Einnahme-/Abrechnungsmodelle, die in erster Linie auf der Anzahl der verkauften Exemplare (Kopien) beruhten, machen in elektronischen Räumen keinen Sinn. Hier gibt es keine Kopien. Hier kann, wenn überhaupt, nur über die aktuelle Nutzung abgerechnet werden. Aber auch hier sollten Sie sich fragen, ob jede aktuelle Nutzung über technische Schutzmaßnahmen des Digital Rights Management kontrolliert werden soll – wie es auch das aktuelle Urheberrecht in den 95er-Paragraphen vorsieht bzw. diese Maßnahmen selber schützt. Haben Sie Vorstellungen darüber, ob eine Kultur-Flatrate einiges der Probleme, auch der angemessenen Vergütung, löst?
Auch die Politik gibt keine Freischeine mehr für obsolete Geschäftsmodelle
Die Bundesjustizministerin hatte in ihrer Berliner Rede zum Urheberrecht vom 20. Juni 2010, durch die sie den Startschuss für den Dritten Korb der Urheberrechtsreform geben wollte (wird dann aber wohl ein Fehlschuss gewesen sein), ihre Absicht deutlich gemacht, die Rechte der AutorInnen zu stärken, ohne die Interessen der kommerziellen Verwertung klein reden. Aber Freischeine dafür hat sie nicht mehr gegeben:
„Die einen beschwören die Geltung des Urheberrechts und haben in Wahrheit doch viel zu häufig nur den Erhalt ihrer überholten Geschäftsmodelle im Sinn; und die anderen stimmen den Abgesang auf das Urheberrecht an und wollen sich auf diese Weise die Leistung anderer kostenlos aneignen.
Die eine Seite beschwört die Geltung des Urheberrechts umso lauter, je stärker ihre Geschäftsmodelle unter Druck geraten und sieht in Raubkopierern vorwiegend gemeine Verbrecher in der Hoffnung, mit Angstkampagnen Nachahmer abzuschrecken.
Leider scheint es bei manchen Appellen und Kampagnen vor allem darum zu gehen, dass einige Verwerter fremder Kreativität ihre lukrativen Geschäftsmodelle der Vergangenheit verteidigen wollen. Und manche versäumen dabei, sich den digitalen Herausforderungen der Zukunft zu stellen.“
Das Vorlegen der Verlage ist kein „muss“ mehr
Neue Geschäftsmodelle für das Öffentlichmachen von Wissen und Information fordert auch die Piratenpartei in ihrem Grundsatzprogramm. Aber sie fallen nicht vom Himmel. Sind Sie, die Kunstschaffenden, nicht auch gefragt? Ist es noch länger nur die Aufgabe der Verlagswirtschaft, für solche Modelle zu sorgen, die dann natürlich auch Ihnen weiterhin ohne Ihr Zutun die Einnahmen sichern könnten?
„Verlag“, so heißt es, kommt von „vorlegen“. Verlage legen das Know how vor und tätigen vorab die Investitionen, die nötig sind, um Werke zu publizieren. Sie als AutorInnen hatten weder das Know how (und wohl kaum die Lust dazu) noch das Geld, um diesen Prozess in all seinen ausdifferenzierten Stufen (Auswahl, Qualitätssicherung, Lektorat, Textaufbereitung, Druck, Marketing, Werbung, Versand, Abrechnung …) zu stemmen. Und daher mussten Sie auch freiwillig, aber sicher oft auch zähneknirschend nicht nur alle ihre im Urheberrecht garantierten Verwertungsrechte als Nutzungsrechte abtreten, sondern auch akzeptieren, dass an Sie, die eigentlichen UrheberInnen, am Ende nur ein kleiner Teil des Gewinns weitergegeben wird. Natürlich gibt es die Gewinner, die Günter Grass´s oder die Gabi Kaufmanns. Aber im Durchschnitt bleibt bei den Kreativen kaum mehr als 5% des Gewinns. Muss das heute noch sein?
Das mit dem Vorlegen stimmt in elektronischen Umgebungen kaum noch, und das mit dem Rechteabtreten und den Gewinnverzichten muss auch nicht mehr sein. Michael Hvorecky aus der Slowakei hatte in der Handelsblatt-Kampagne von den an den subventionierten Literaturbetrieb gewöhnten deutschen Schriftstellern gesprochen. Vielleicht waren Sie nicht nur daran gewöhnt, sondern auch in hohem Maß verwöhnt, haben ihr künstlerisches Gärtchen gepflegt und sich kaum darum gekümmert, ob die Verlage das ihnen von Ihnen anvertraute Gut nicht nur als kommerzielle Güter sehen, sondern auch um die Rechte der Öffentlichkeit an einer freizügigen Nutzung dieser Objekte besorgt sind.
Sapere aude! war die Forderung. Niemand wird bestreiten, dass KünstlerInnen den Anspruch haben, von ihren Werken auch wirtschaftlichen Nutzen ziehen zu können. KünstlerInnen können diesen Anspruch aber in elektronischen Umgebungen nun selber in die Hand nehmen. Nutzen Sie selber die Potenziale, die Ihnen das Internet bietet, und greifen Sie dazu auf die Hilfe der „Piraten“ zurück. Vielleicht ist das besser und wird mehr Erfolg haben, als auf eine Umverteilung durch eine Kultur-Flatrate zu setzen (?). Aber auch damit sollte experimentiert werden.
Experimentieren, auch zur Nachahmung empfohlen
Natürlich, Gabi Hauptmann, Sie verdienen wohl genug über Ihren Piper-Verlag, sowohl mit Büchern als auch mit (meist DRM-geschützten) e-Books. Aber deshalb könnten gerade Sie mit neuen Publikationsformen experimentieren, die dann auch vielleicht für andere Vorbilder werden können:
Warum nicht gleich, unter Nutzung verfügbarer und leicht handhabbarer Software, die Werke erstellen und ins Netz stellen. Warum bedarf es weiter der Mittler? Warum nicht ein attraktives erstes Kapitel elektronisch frei geben, um dann schrittweise gegen Entgelt die weiteren Folgen auszuliefern. Die Handyromane, in Deutschland, in der Nachfolge des japanischen Erfolgs, propagiert und praktiziert von Oliver Bendel, haben es vorgemacht. Warum nicht ein Buch ankündigen und im Internet versteigern? Wenn der angestrebte Betrag erreicht ist, wird das ganze Buch frei ins Netz gestellt. Ganz ähnlich: Können/sollten nicht Werke ganz frei an die Öffentlichkeit gegeben werden, sozusagen als Tilgung für die freie Nutzung des kulturellen Erbes der vielen Vorgänger, wenn das Werk schon einen großen finanziellen Ertrag z.B. in den ersten 10 Jahren erzielt hat? Müssen Werke wirklich 70 Jahre nach dem Tod des Produzenten geschützt sein? Gehören sie nicht viel eher in die „public domain“?
Kreative haben das größere Ideen- und Innovationspotenzial
Das sind nur einige wenige Hinweise. Sie als Kreative haben ein größeres Ideenpotenzial, um neue Formen des Öffentlichmachens Ihrer Werke entweder selber auszuprobieren oder die Verlage mit ihrem Know how zu ermuntern, innovative freizügigere Publikations- und Nutzungsformen zu entwickeln.
Die Musikindustrie hat es nach einigen Jahren der bloßen Piraterieanklage und -abwehr allmählich geschafft, auch im elektronischen Umfeld kommerziellen Erfolg zu erzielen. Keine Rede von Umsonstkultur. Es zeigt sich deutlich, dass Menschen bereit sind, bei fairen Preisen und guten Angeboten für diese auch zu zahlen. Aber müssen nur die Gewinne der Copyright-Industrien weiter und so enorm steigen? (vgl. Teil 1)
In dieser Situation wirkt die ganze „MEIN K©PF GEHÖRT MIR!“-Kampagne doch arg peinlich, zumal sie zweifellos ganz im Sinne der Kritik der Bundesjustizministerin wesentlich dazu dient, die Unfähigkeit der Verlagswirtschaft zu verschleiern, attraktive und elektronischen Umgebungen angemessene Modelle zu entwickeln. Hören Sie auf, von geistigem Eigentum zu reden. Nicht aufs Eigentum kommt es an, sondern darauf, welche Rechte Sie mit welchen Gründen an Ihren Werken behaupten und durchsetzen können. Wird dafür das Urheberrecht über die im Urheberrecht verankerten Persönlichkeitsrechte hinaus überhaupt gebraucht?
Wenn Sie sich einmal die Mühe geben, ein wenig in dieses Gesetz zu schauen, z.B. in die Schrankenregelungen (§§ 44a – 63a) oder in das Urhebervertragsrecht (z.B. in die 30-er Paragraphen), dann werden Sie sehr schnell selber sehen, dass moderne Gesellschaften damit nicht wirklich leben können. Suchen Sie also Ihre Interessenvertretung eher bei denjenigen, die den Umgang mit Wissen und Information transparent, fair und offen gestalten wollen.
Zweifellos sind die fetten Jahre der großen Umsätze in analogen Umgebungen vorbei. Gute AutorInnen mit attraktiven Produkten haben hier gut verdient. Aber es kann ja kein Zweifel darüber bestehen, dass die Zukunft auch der sogenannten schönen Literatur wie auch der Musik jede Ausprägung in den elektronischen Medien liegt.
Auch hier gelten die Persönlichkeitsrechte der Kreativen, also auch das nach wie vor exklusive Recht, darüber zu entscheiden, wie und wo sie publizieren wollen. Und auch mit diesen im Rücken werden Sie weiter reputative und monetäre Anerkennung erzielen können – auf dass wir Sie alle weiter lesen können.
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