KünstlerInnen gegen PiratInnen?
Teil 2 zur „MEIN K©PF GEHÖRT MIR!“-Kampagne – Ich konzentriere mich in diesem zweiten Teil auf die Aussagen aus der Gruppe der KünstlerInnen, also nicht auf die der ManagerInnen oder PolitikerInnen. Man wird diesen Kreativen wohl kaum bestreiten können, dass sie die Sorge umtreibt, dass ihnen nicht nur ihre ökonomischen Grundlagen entzogen werde, sondern dass auch der Fortbestand und die Weiterentwicklung kreativer Arbeit überhaupt gefährdet sei, wenn kreative Leistung nicht mehr auch auf monetäre Weise belohnt würde.
Es geht bei diesen Stellungnahmen durchaus differenzierter zu, als es bei dem Anspruch „gegen die politischen Protagonisten: die Piraten“ zu vermuten wäre. Zunächst einige Beispiele, die starke Kritik an (vermeintlichen oder tatsächlichen) Piratenpositionen üben und sich für einen starken Schutz geistigen Eigentums einsetzen. Danach einige Beispiele von Personen, die mit „geistigem Eigentum“ sich schwerer tun und die die aktuellen Konflikte im aktuellen Urheberrecht eher durch dominierende Verwertungsinteressen verursacht sehen.
Zum harten Kern der Kritik an Piraten – das Prinzip des geistigen Eigentums muss Grundlage des Urheberrechts bleiben
Katrin Burseg mag Piraten, die regen ihre „schriftstellerische Fantasie“ an, aber die „Forderung der Piratenpartei nach einer Reform des Urheberrechts bedroht jedoch meine berufliche Existenz“ (wieso eigentlich schon die Reform?). Jan Fleischauer beklagt den „Sozialismus im Netz“ der Piraten. Andreas Föhr vertritt die kühne These, dass „ohne den Schutz geistigen Eigentums es […] wahrscheinlich weder Computer noch Internet [gäbe]“. Hm. Alena Gerber sieht strikt den Zusammenhang zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und den Einnahmen der Urheber. Durch Einnahmen „wird eben auch sichergestellt, dass weitere neue Ideen, Inhalte, Innovationen entstehen. Die Forderung der Piraten würde dagegen dazu führen, dass sich die Urheber komplett aus dem Geschäft zurückziehen.
Durchgängig wird, so von Fred Breinersdorfer, der Schutz „geistiger „Leistung“ mit dem Schutz „geistigen Eigentums“ verwechselt. Pater Anselm Grün fürchtet, dass „ohne Schutz des geistigen Eigentums … es ein Chaos der Gedanken geben [würde]“. Gaby Hauptmann sieht keine Schriftsteller, Musiker, Filmemacher, Dramaturgen, Komponisten, Texter mehr, wenn sie an ihren Werken nichts mehr verdienen. Helge Hesse befürchtet „die Zerstörung der Medienwirtschaft, wie es sie heute gibt“, wenn das „Urheberrecht ausgehöhlt oder aufgegeben“ wird.
Gisa Klönne , ähnlich auch Leslie Mandoki, hält das Freiheitsverständnis der Piraten für „Kannibalismus“: „Freiheit bedeutet ja wohl nicht, anderen ihr geistiges Eigentum und somit die Existenzgrundlage zu klauen.“
Marcus Loeber verteidigt wohl am radikalsten jedes durch das Urheberrecht gewährte Schutzrecht. Auch ein Abschaffen der 70-Jahre-Regelung käme einer „Enteignung der Nachfahren jedes Urhebers“ gleich. Birgit Lutz beklagt, dass eine „Welt der Umsonstkultur” nur eine arme sein würde. Ebenso befürchtet Ingrid Müller-Münch , dass es „um die Zukunft einer Gesellschaft, die die Schaffer geistiger Güter nicht mehr honoriert, … erbärmlich aussehen [wird].“ Carolin Otto sieht bei einer „Abschaffung des „Urheberrechts“ die Gefahr, dass „die deutsche Kultur und das Wissen in unserem Land nur noch ein Hobby seien“ wird. Starke Worte wählt Ulrich Schacht. Er sieht in der Piratenbewegung ein „asoziales Kollektiv”, “klassische Demagogie”, „pure Raubzugsphilosophie“, eine „Dschingiskanisierung des Politischen wie Sozialen“. Thomas Weymar ganz knapp: „Kostenlose Inhalte ist Diebstahl am Geist. Deshalb brauchen wir den Schutz des geistigen Eigentums.”
Aber: Auch das Urheberrecht, vor allem kommerzielle Verwertungs-/Nutzungsrechte und das Konzept des geistiges Eigentums können von Kulturschaffenden problematisiert werden
Florian Becker sieht, dass auch das existierende Urheberrecht, genauer das Urheberpersönlichkeitsrecht, niemand zwingen kann, das zu veröffentlichen, was noch in dessen „Kopf“ ist. Das ist sicher unbestritten. Niemand, auch nicht die Piraten, will die Persönlichkeitsrechte des Urheberrechts abschaffen. Auch Becker sieht „geistiges Eigentum“ kritisch als „Kampfbegriff, da es in der Auseinandersetzung in erster Linie um handfeste Interessen im Kampf um Nutzungs- und Verwertungsrechte geht.“ Nadeshda Brennicke plädiert, bei aller Sorge um schwindende Ausschüttungen, für freizügige Nutzung digitaler Produkte im Privatbereich. Julia Franck blickt sehr klar durch: „ Der Händler erhält alles, der Erzeuger nichts, das ist das Prinzip eines modernen Kolonialismus.“ Maria Furtwängler ist „gegen den Diebstahl geistigen Eigentums”, sieht die “Balance“ aber vor allem dadurch gefährdet, dass „nur die Plattformen von der Verteilung kreativer Leistung profitieren“.
Michael Hvorecky aus der Slowakei, kaum „an den subventionierten Literaturbetrieb gewöhnt wie deutsche Schriftsteller“ , wünscht sich „dass das File-Sharing mit [seinen] Texten stattfindet“. eTexte seien „Lockmittel“ nicht Ersatz. Julia Zeh sieht eine gewisse Scheindebatte: Keinesfalls geht es um „alles umsonst für alle“. „Vielmehr muss Ziel des Spiels sein, das Urheberrecht beziehungsweise die Regelung seiner Verwertung an die neuen technischen Bedingungen anzupassen. Ich hoffe sehr, dass die Piraten – wie andere Akteure auch – bemüht sind, in diesem Sinn einen Interessenausgleich zu erarbeiten.“
Eher Unsicherheit oder Angst als fundierte Kritik
Was folgt nun aus all dem? Es ist ja deutlich ersichtlich, dass durch die KünstlerInnen tatsächlich keine Auseinandersetzung mit irgendwelchen programmatischen Positionen der Piratenpartei erfolgt, sondern dass einer großen Unsicherheit, zum Teil auch Angst Ausdruck verliehen wird, dass die Grundlage kreativen Handelns in unserer Gesellschaft gefährdet ist. Es wäre ja an sich für jeden der hier in seinen Ansichten sehr verkürzt wiedergegebenen KünstlerInnen sehr einfach gewesen, sich sachkundig zu machen, was Piraten mit dem Urheberrecht zu tun haben. Die Debatten darüber sind durchweg transparent und offen, auch ergebnisoffen und damit zuweilen auch widersprüchlich. Dazu im dritten Teil.
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